Sonntag, 3. August 2025

Blumfeld (3)

Blumfeld, ein älterer Junggeselle, hatte schon lange mit dem Anarchismus geliebäugelt und eines Tages beschloss er, endlich zur Tat zu schreiten. Er nahm sich nach einiger Überlegung vor, irgendeinen Erzherzog zu töten, um so ein Fanal für den Aufstand der Massen zu setzen, der das unterdrückerische System hinwegfegen und das Reich der Freiheit und Vernuft herbeiführen werde. Von solchen Fanalen hatte er schon oft in der Zeitung gelesen, und dass aus all den Mordversuchen und Mordtaten bisher kein Aufstand und kein Reich der Freiheit und Vernunft hervorgegangen war, focht Blumfeldt nicht an. Es käme auf einen weiteren Versuch an, sagte er sich, irgendwann werde es schon klappen. Nun stand Blumfeld freilich vor der unüberwindbaren Schwierigkeit, dass er nicht wusste, wie er sich eine Handfeuerwaffe oder gar eine Höllenmaschine hätte besorge sollen. Er hatte in dieser Hinsicht keinerlei Verbindungen und konnte sich auch nicht vorstellen, sie haben zu wollen. Aber er besaß selbstverständlich ein Küchenmesser. Deren mehrere sogar. Blumfeld wählt eines Abends das größte Messer aus, überlegte kurz, ob er es nachschärfen sollte, verwarf das aber, weil er befürchtete, sich selbst zu schneiden, wenn er das Mordgerät in seiner Manteltasche versteckte. Nachdem er alle seine Vorbereitungen getroffen hatte, schlich Blumfeld sodann von seiner Wohnung im sechsten Stock hinunter auf die Gasse. Den Mantelkragen hochgeschlagen und den Hut tief ins Gesicht gezogen, machte er sich auf den Weg. Er wählte Gassen aus, durch die er sonst nahezu nie ging, das schien ihm umsichtig. So wanderte er eine ganze Weile durch die Stadt. Nur wenige andere Leute waren zu dieser späten stunde unterwegs. Blumfeld war nervös, aber entschlossen. Er müsse es tun. Er werde es tun. Doch nach fast zwei Stunden anhaltenden Fußmarsches war er dann doch bereit, sein Vorhaben aufzugeben. Kein Erzherzog war weit und breit zu sehen gewesen. Blumfeld hatte zwar zuletzt erwogen, zur Not stattdessen irgendeinen beliebigen Passanten niederzustechen, aber das wäre nicht dasselbe gewesen, und er verwarf es. Da er zufällig schon wieder ganz in der Nähe seiner Wohnung war, ging er nach Hause. Die Sache war für ihn damit freilich ganz und gar nicht erledigt, er war und blieb Anarchist und Anhänger der direkten Aktion. Auch fühlte er sich nach seinem anstrengenden Spaziergang wie ein alter, erprobter Mitstreiter der guten Sache. Aber man musste realitisch sein, und die Umstände waren eben ungünstig gewesen. In der Küche tat Blumfeld das Messer wieder dorthin, wo er es hergenommen hatte. Das kam ihm etwas seltsam vor, immerhin war das gefährliche Ding ein wichtiges Mittel zur Befreiuung der Menschheit gewesen. Gehörte so etwas nicht in ein Kriminalmuseum? Blumfeld war rechtschaffen müde und ging schlafen. Die Wochen, Monate, Jahre zogen ins Land, und irgendwann hatte Blumfeld vergessen, mit welchem Messer er damals durch die nächtlichen Gassen der Goldenen Stadt geschlichen war, und schließlich auch, warum überhaupt.

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