Donnerstag, 14. August 2025

Blumfeld (9)

Blumfeld, ein älterer Junggeselle, hatte sich die Flötentöne selbst beigebracht, zudem ganz ohne irgendein Instrument. Jetzt beherrschte er sie vollkommen. Doch damit nicht genug, er hatte für die Töne auch ein neues System erdacht, in dem er sie alle aufsteigend nach ihren Farben ordnete, die stacheligen von den dornigen unterschied und so jede verfrüht auftretende Bitterkeit umgehen konnte. Das war neu, geradezu revolutionär und musste den Fachleuten, aber auch den Laien großen Eindruck machen. Selbstverständlich hatte Blumfeld sein System recht bald verschiedenen Musikwissenschaftlern und ausübenden Musikern erst im In-, dann im Ausland zur freien Verwendung angeboten. Aber auf seine höflichen Schreiben hatte er unhöflicherweise nie eine Antwort erhalten. Das hatte Blumfeld ein wenig verstimmt. Aber er tröstete sich damit, dass die Leute halt das Ungewohnte scheuten. Vielleicht sahen sie in ihm auch ungerechtfertigterweise einen Konkurrenten. Dabei war Blumfeld weder von Rumsucht noch von geschäftlichen Interessen gerieben. Er war einfach ein Menschenfreund, sagte er sich, der eine gute Sache vertrat, von der alle etwas haben konnten. Darum hatte es Blumfeld im vorigen Frühjahr auch zunächst sehr gefreut, dass ein Drehorgelspieler, dem er zufällig auf der Straße begegnet war und dem er beiläufig in einer Spielpause von seinem System zu erzählen begonnen hatte, sich daran sehr interessiert gezeigt hatte. Aber nachdem Blumfeldt sodann die Einzelheiten in aller gebotenen Ausführichkeit dargelegt hatte, waren sie nach sehr kurzer Diskussion schließlich übereingekommen, dass Pfeifen- und Flötentöne wohl doch etwas ganz Verschiedenes seien, und der Drehorgelspieler war kopfschüttelnd seiner Wege gezogen, offensichtlich voller Staunen und Bewunderung, weil ihm etwas so Durchdachtes und Sinnfälliges wie Blumfelds System in seiner ganzen musikantischen Karriere bestimmt noch nicht untergekommen war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen