So, da wären wir also.
Hier wohne ich. Gleich bin ich zu Hause. Gleich lege ich mich ins
Bett. Endlich. Aber hoppla, da gibt es anscheinend ein Problem.
Hinter welcher dieser Türen genau wohne ich? Es sind so viele.
Welche davon ist meine? Und wieso weiß ich das nicht? Blödsinn,
selbstverständlich weiß ich es, die sehen bloß gerade alle so
völlig gleich aus. Das macht es unerwartet schwierig. Einen Moment,
das muss doch zu machen sein, ich muss mich bloß konzentrieren, dann
fällt es mir bestimmt wieder ein. Nein, doch nicht. Das Einfachste
wäre es vermutlich, wenn ich ausprobierte, bei welcher Tür mein
Schlüssel passt, wo er aufschließt, dort wohne ich. Das Problem ist
nur, wie ich gerade feststellen muss, dass ich meinen Schlüssel
nicht bei mir habe. Ich werde ihn doch nicht verloren haben? Ach was,
selbstverständlich habe ich ihn nicht verloren, das wäre ja zu
blöd. Wahrscheinlich habe ich ihn beim Weggehen einfach zu Hause
vergessen. Sozusagen in der Wohnung zurückgelassen. Er befindet sich
also hinter der Tür und ich davor. Schon irgendwie witzig. Aber gar
nicht lustig. Im Gegenteil. Sehr unangenehm. Eine ausgesprochen
missliche Lage. Was soll ich jetzt bloß machen? Ich kann ja nicht
gut irgendwo klingeln und sagen: „Verzeihen Sie bitte die Störung,
aber wohne ich hier? Nein? Sind Sie sicher? Nun gut, können Sie mir
dann vielleicht sagen, wo ich Ihrer Meinung nach wohne? Ich denke
nämlich, hier in diesem Haus, in diesem Stockwerk müsste es
irgendwo sein. Ja, sicher weiß ich, dass es mitten in der Nacht ist.
Habe ich Sie etwa geweckt? Das tut mir leid. Aber sehen Sie, für
mich ist das alles hier auch sehr unangenehm, denn wie gesagt … Ja,
stimmt, ich bin betrunken. Sehr sogar. Völlig richtig erkannt. Ist
aber auch ziemlich offensichtlich, was? Und außerdem wäre es auch
nicht besser, wenn ich Sie mitten in der Nacht aus dem Bett klingelte
und dabei völlig nüchtern wäre, meinen Sie nicht? Oder wenn ich
mitten am Tage sturzbetrunken wäre. So hat irgendwie also alles
durchaus seine Richtigkeit. Wie auch immer. Um auf meine Frage
zurückzukommen … Hallo? Na sowas, macht mir der Kerl einfach die
Tür vor der Nase zu. Mitten im Gespräch. Und so einer will ein
guter Nachbar sein. Pfff!“ Habe ich das jetzt wirklich erlebt oder
mir nur vorgestellt? Egal. An der misslichen lage hat sich nichts
geändert. Was tun? Man könnte denken, ich brauchte ja bloß die
Namensschilder am den Türen zu lesen, dann wüsste ich bald, wo ich
wohnte. Nur dass ich Augenblick davor eher zurückschrecke, besagte
Schilder zu lesen. Denn ich muss mir leider eingestehen, dass ich
jetzt und hier nicht mit ausreichender Sicherheit weiß, wie ich
heiße. Schön blöd, das gebe ich zu. Wie kann man nur so besoffen
sein! Jedenfalls wäre mir in meinem derzeitigen Zustand das Lesen
all der Namen, sofern es mir denn überhaupt gelänge, keine große
Hilfe, vermute ich mal. Denn vorhin las ich an irgendeiner Tür einen Namen,
der kam mir dermaßen bekannt vor, dass ich mir schon ziemlich sicher
war, es müsse wohl mein eigener sein. Allerdings hatte der dabeistehende
Vorname das falsche Geschlecht. Glaube ich. Ich befürchte
jedenfalls, es ginge mir mit anderen Namen genauso. Jeder davon könnte durchaus mein eigener sein. Hier zum
Beispiel, an der Tür des unfreundlichen Nachbarn, bei dem ich
geklingelt hatte, auch dieser Name kommt mir sehr bekannt vor.
Vorname steht zudem keiner dabei. Heiße ich wirklich nicht so? Der
Kerl kann ja auch gelogen haben, unfreundlich, wie er war. Vielleicht
wohne ich also doch hier. Vielleicht war die Unfreundlichkeit auch
nur gespielt. Eine Art von Streich, sozusagen. Könnte doch sein.
Vielleicht heiße ich also sehr wohl wie er und gehöre zu seiner Familie,
bin Sohn oder Tochter, Onkel oder Tante. Denn wie schon angedeutet,
ich bin mir augenblicklich nicht ganz sicher, ob ich Männlein oder
Weiblein bin. Na, egal. Damit befasse ich mich später. Zuerst der Name. Mir scheint jetzt doch wieder, dass ich ganz anders heiße. Das kommt mir sogar immer wahrscheinlicher vor, je mehr ich darüber nachdenke. Dann gehöre ich also vermutlich nicht zur Familie des Nachbarn und wohne auch nicht in
dessen Wohnung. Nein, mit ziemlicher Sicherheit nicht. Zumal mir gerade
auffällt, das hier kann gar nicht das Haus sein, in dem ich wohne,
bei uns sehen die Fenster irgendwie anders aus. Ganz anders. Anscheinend bin
ich hier völlig falsch. Irgendwie ins falsche Haus geraten. Sowas Blödes. Kein
Wunder, dass die Suche nach der richtigen Tür nichts ergeben hat.
Aber die Tür dort drüben kommt mir trotzdem bekannt vor. Ob ich
nicht vielleicht doch dahinter wohne, falsches Haus hin oder her?
Freitag, 8. August 2025
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