Dienstag, 26. August 2025

Blumfeld (12)

Blumfeld, ein älterer Junggeselle, war also verliebt in den jungen, hübschen Bürogehilfen Anton Cibulka. Selbstverständlich verbot sich nach außen hin jede andere Art der Beziehung als die, dass der eine die Post austeilte und der andere sie entgegennahm. Leider gab es dabei nicht einmal etwas zu reden außer Bitte und Danke. Begegneten sie einander zufällig irgendwo im Haus, grüßten sie einander sehr höflich, der kleine Gehilfe den höhergestellten Beamten selbstverständlich zuerst, nannten einander Herr Blumfeld und Herr Cibulka, mehr kam nicht in Frage, worüber hätten sie auch reden sollen. Dabei konnte Blumfeld Tag und Nacht kaum noch an etwas anderes denken als an seinen Anton. Bei der Arbeit vermochte er sich nur mit Mühe zu konzentrieren und zwischen Dienstschluss und Dienstbeginn war er dann wieder ganz von seiner Verliebtheit nahezu restlos ausgefüllt. Der Höhepunkt jeden Arbeitstages war, wenn der Bürogehilfe die Post verteilte. Das war schön. Wenn allerdings Herr Cibulka nichts für Herrn Blumfeld dabei hatte, was selten geschah, aber vorkommen konnte, dann war Blumfeld besonders erfreut, denn dem Fall hieß es: „Heute nichts, Herr Blumfeld“, und nicht bloß: „Bitte“ oder „Bitte schön.“ An den Sonntagen hingegen, wenn er nicht ins Büro gehen durfte, wusste Blumfeld kaum etwas mit sich anzufragen. Weil gerade Sommer war, ging er nachmittags in die Schwimmschule. Wie hätte er sich gefreut, jenen jungen Mann dort zu treffen! Aber selbstverständlich passierte das nicht. So war das wirkliche Leben nicht. Dort war nur alte Männer, wie Blumfeld selbst, oder junge Kerle und Knaben, die ihm völlig egal waren. Selbst die wohgestaltesten unter den Jünglingen hielten ja den Vergleich mit Anton Cibulka nicht aus. So blieb Blumfeld nur, sich abends zu Hause in Träumereien zu ergehen. Dass er den Geliebten doch in der Schwimmschule getroffen habe. Dass sie sich gut unterhalten hätten und miteinander um die Wette geschwommen seien. Dass Anton ganz entzückend in seiner Badekleidung ausgesehen habe. Dass er sich ganz ungezwungen gegeben habe und sehr freundlich und geradezu zutraulich gewesen sei. Dass sie sich fürs nächste Wochenende zum Rudern auf der Moldau verabredet hätten, wozu es dann auch gekommen sei. Dass sie lange gerudert und schließlich das Boot irgendwo an einem Ufer festgemacht hätten, an einer ruhigen, ungestörten Stelle, dass sie dann zur Abkühlung ein wenig geschwommen seien und sich danach am Ufer von der Sonne hätten trocken lassen. Dass es dabei irgendwie zu zufälligen, ganz unschuldigen Berührungen gekommen sei. Dass daraus dann absichtliche geworden seien. Dass sie einander schließlich umarmt und gestreichelt und geküsst hätte. Und dass … ― aber weiter träumte Blumfeld nicht. Auch in seinen Träumen wahrte er die Schicklichkeit.

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