Donnerstag, 14. August 2025
Blumfeld (9)
Mittwoch, 13. August 2025
Mutter Natur
Freitag, 8. August 2025
Eine andere Tür
Donnerstag, 7. August 2025
Blumfeld (8)
Blumfeldt, ein älterer Junggeselle, hatte sich vor geraumer Zeit ein kleines, geheimes alchymistisches Laboratorium eingerichtet. Dabei war er recht raffiniert vorgegangen. Nachdem die Nachbarwohnung durch den Tod der alten Frau frei geworden war, hatte Blumfeldt dem Hauseigentümer kurzerhand den Vorschlag gemacht, beide Wohnungen zu kaufen. Herr Grubach war zunächst recht erstaunt gewesen, hatte dann aber nachgerechnet und den Vorschlag gern angenommen. Solche Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen waren heutzutage nicht sehr begehrt, hatte sich Grubach gesahgt, schon weil sie keine Badezimmer hatten und nur ein Klosett am Gang für das ganze Stockwerk. Miete konnte man also nicht viel für sie verlangen. Darum lieber jetzt einen kleinen Batzen Geldes in die Hand bekommen als mickrige Einnahmen über Jahre. Woher dieser Blumfeldt, ein kleiner Beamter, eigentlich das Geld, konnte ihm, so Grubach, ja ganz gleichgültig sein. Vielleicht hatte er geerbt. Der Vertrag wurde jedenfalls dann sehr bald beim Notar unterschieben, die Kaufsumme rasch bezahlt, die Eintragung ins Grundbuch würde demnächst folgen, die Sache war somit in kürzester Frist erledigt. Für Blumfeldt begann sie da aber erst. Statt die beiden kleinen Wohnungen zusammenzulegen, wie Grubach vielleicht erwartet hatte, ließ er in der Nebenwohnung die Tür zum kleineren Zimmer entfernen, den Türstock herausreißen und die Lücke zumauern. Dann ließ er einen Tapezierer die Wand so verkleiden, dass niemand erraten konnte, dass da eine Tür gewesen war. Die neu entstandene Einzimmerwohnung würde er vermieten, hatte Blumfeld beschlossen, am besten an Studenten, die würden nie lange bleiben. Zum abgetrennten Kabinett ließ Blumfeld sodann von seiner Wohnung aus einen Durchbruch machen, eine Türstock und eine Tür einsetzen. Vor diese schob er später seinen Kleiderschrank, von dem er die Rückwand entfernt hatte. Auf diese Weise hatte er sich ein Zimmer mit geheimem Zugang verschafft. Die Handwerker hatte er aus Brünn kommen lassen, die würden nichts ausplaudern. und die Zugehfrau hatte, trotz all ihrer Neugier, keine Veranlassung, die Rückwand des Kleiderschranks zu untersuchen. Wichtig war, dass sie nie in die Nebenwohnung vordrang, vielleicht wäre sonst sie trotz ihrer Geistesschwäche, die Blumfeld sonst oft so lästig war, darauf gekommen, dass dort ein Zimmer fehlte. Dagegen wollte Blumfeld sich versichern, indem er nur an Medizinstudenten vermieten würde, vor deren anatomischen Tafeln, künstlichen Totenköpfen und in Formalin eingelegten Amphibien es dem dummen Weib gewiss grausen musste, so gern sie sich wohl auch dort in der Nebenwohnug mit ein wenig Putzen und Ausräumen bei einem jungen Herrn etwas dazu verdient hätte. Wie sich später erweisen sollte, ging Blumfelds Plan auf, zumal es ihm mehrfach gelang, an Studenten aus Siebenbürgen und Bosnien zu vermieten, und mit solchen bedenklichen Leuten wollte Frau Nechvatal als anständige Frau nichts zu tun haben; Rumänen, Bosniaken und weiß der Teufel was, wo kam man denn da hin! Blumfeld jedenfalls hatte sich durch die nicht sehr aufwändigen Baumaßnahmen und den Trick mit der Tür hinterm Schrank sein Geheimkabinett verschafft und stattete es nun zünftig aus: ein Athenor, ein Alembik, eine Serpentine, ein Pelikan, mehere Retorten und Kupellen und andere Gefäße gehörten dazu, weiters Mörser, Stößel, Zangen, einen Blasebalg usw. usf., nicht zu vergessen das Bücherregal, das eine kleine, aber beachtliche alchymistische Bibliothek aufnahm, dazu ein robuster Tisch und ein wuchtiger Lehnstuhl. Oben auf das Bücherregal stellte Blumenfeld einen ausgestopften Raben; das heißt, er hielt das Tier für einen Raben, tatsächlich war es zwar ein Rabenvogel, allerdings eine Dohle. Die Möbel und Bücher besaß er schon seit langem, die Geräte besorgte er nach und nach, oft bei kleinen Reise ins Ausland, um nur ja seine Spur zu verwischen. An die freien Wände hängte Blumfeld Stiche mit alchymistischen und theosophisch-mystischen Allegorien. Schließlich hatte er sein Laboratorium fürs Erste ganz passabel eingerichtet, wie er fand, und begann vorsichtig mit seinen ersten Experimenten. Dabei galt sein Interesse weder jetzt noch später dem Stein der Weisen und der Kunst des Goldmachens oder dem Elixier des Lebens oder irgendwelchen Panazeen und schon gar nicht dem Homunkulus, sondern er (Hier bricht das Manuskript ab. Anm. d. Hrsg.)
Blumfeld (7)
Ich war einmal
Montag, 4. August 2025
Die Tür
Notiz
Blumfeld (6)
Blumfeld, ein älterer Junggeselle, hatte sich im Laufe der Jahre vom kleinen Konzeptionisten zum stellvertretenden Leiter einer Unterabteilung hinaufgearbeitet. Während einer langen, etwas geheimnisvollen Abwesenheit seines Chefs war ihm sogar die faktische Leitung der Unterabteilung zugefallen und er hatte sich dabei sehr bewährt. Blumfeld war bei seinen Vorgesetzten wegen seines Fleißes, seinen umfassenden Kenntnissen und seiner Fähigkeit, auch schwierige Angelegenheiten rasch und gründlich zu erledigen, sehr angesehen und bei seinen Kollegen wehen seiner bescheidenen und immer hilfsbereiten Art durchaus beliebt. Nun gut, Neider gab es ja immer. Und manche verübelten Blumfeld wohl seine nahezu unanfechtbare Stellung und das bisschen außeralltäglichen Glanzes, das vorübergehend auf ihn fiel. Es begab sich nämlich in der Zeit, in der er die Unterabteilung de facto leitete, dass Blumfeld mehrfach zum Vortrag an allerhöchster Stelle bestellt wurde. Seine Apostolische Majestät, der Kaiser und König, nahm überraschenderweise an der Tätigkeit der Unterabteilung, die, falls es noch nicht erwähnt wurde, mit der administrativen Beaufsichtigung sämtlicher kaiserlich-königlich privilegierten alchymistischen Experimente zuständig war, lebhaft Anteil. Und die Goldene Stadt war nun einmal der Mittelpunkt der kakanischen Alchymie. Auch in bürokratischer Hinsicht. Die Ungarn hatten irgendwo in Siebenbürgen ihre eigenen Laboratorien, aber alle ärarisch finanzierten Alchymisten von Lemberg bis Triest, von Innsbruck bis Czernowitz unterstanden seit jeher der Verwaltung mit Sitz in der Moldaumetropole. Und seit diese zur neuen Reichshaupt- und Residenzstadt erklärt worden war und mit Kaiser Rudolf wieder ein Herrscher im Hradschin residierte, hatte das allerhöchste Interesse nicht nur am Stein der Weisen und der Goldmacherei, sondern an allen Aspekten der königlich genannten Kunst beachtlich zugenommen. Leider war offenkundig kein Minister und kein Sektionschef mit den Einzelheiten der Materie ausreichend vertraut, und darum konnte keiner dem Kaiser die gewünschten Auskünfte geben als eben Blumfeld. Der war am Anfang von der hohen Ehre ganz eingeschüchtert gewesen, aber je häufiger die Vorträge angefordert wurden, desto ruhiger und sicher wurde er, in der Sache sowieso, aber auch im protokollgerechten Umgang mit der allerhöchsten Person. So ein Kaiser ist auch nur ein Mensch, dachte Blumfeld schließlich, aber laut gesagt hätte er das selbstverständlich nie und nimmer. Die Apostolische Majestät schien jedenfalls rasch Gefallen gefunden zu haben an ihrem fachkundigen kleinen Beamten und ließ sich von dem stellvertretenden Unterabteilungsleiter wiederholt bei Besuchen in den Dachstuben und Kellern der Burg und sogar, wegen der Touristen freilich streng incognito, im Goldmachergässchen begleiten. Hinter Blumfelds Rücken nannten ihn daraufhin ein paar seiner Kollegen, die sich für witzig hielten, „Bratfisch“, nach dem ehemaligen Leibfiaker des damaligen Kronprinzen. Blumfeld wusste durch den geschwätzigen Bürodiener durchaus davon und nahm es mit amüsierter Befriedigung hin. Ein paar Mal verzehrte er sogar zum Gabelfrühstück demonstrativ gebratenen Hering. Aber weil dessen Geruch immer das Büro so anhaltend verpestete, ließ er diese selbstironische Geste bald wieder bleiben.
Blumfeld (5)
Blumfeld, ein älterer Junggeselle, nahm für den Weg zur Arbeit gerne den Zeppelin. Das schien ihm praktisch, etwas abenteuerlich und auf achtenswerte Weise modern. Unangenehm war nur das Ein- und Aussteigen, denn selbstverständlich konnte ein so großes Luftschiff in den engen und verwinkelten Gassen der altehrwürdigen Stadt nirgendwo landen. Man musste sich als angemeldeter Passagier also zur vorgegebenen Zeit an einer vorgegebenen Stelle auf einem Dach einfinden, eine Strickleiter wurde heruntergelassen, man kletterte sie hinauf und unter Mithilfe des Personals in die Kabine hinein. Das Aussteigen geschah dann ebenso, nur eben in umgekehrter Richtung. Das war im Grunde mit etwas Übung recht einfach, hatte aber einen Nachteil. Denn da er beim Klettern die Hände nicht frei hatte, musste Blumfeld den Ledergriff seiner Aktentasche mit den Zähnen halten. Das fand er unangenehm und etwas vulgär, denn leider war es nahezu unmöglich, dabei nicht zu sabbern und also den ledernen Griff nicht nass zu machen. Aber sobald Blumfeld dann sicher und komfortabel in der gemütlichen Kabine saß und den herrlichen Blick aus de großen Fenstern auf die Goldene Stadt genießen konnte ― bei Schlechtwetter flog der Zeppelin nicht ―, hatte er das kleine Ungemach bereits vergessen. Und wurde erst wieder daran erinnert, wenn er beim Aussteigen den Griff der Aktentasche erneut in den Mund nehmen musste. Schade fand Blumfeld aber vor allem, dass der Flug des Zeppelins oder vielmehr die Fahrt, wie man es richtig nannte, dass also die Fahrt immer nur so kurz war. Denn die Strecke zwischen dem Haus, in dem er wohne, und dem Gebäude, in dem er arbeitete, war nicht lang. Zu Fuß benötigte er rund eine halbe Stunde, mit dem Zeppelin waren es, Ein- und Ausstieg abgerechnet, nur wenige Minuten. Da Blumfeld seine Arbeitsstelle nicht wechseln mochte, hatte er schon erwogen, ans Ende der Stadt zu ziehen. Aber er scheute verständlicherweise den Aufwand, zumal es ihm ungewiss schien, ob es diese Luftschifffahrten überhaupt noch lange geben werde, denn die Königlich-böhmische privilegierte Zeppelin-Gesellschaft, so hatte es in der Zeitung gestanden, schrieb rote Zahlen. Zu hohe Kosten, zu wenig Fahrgäste. Blumfeld beließ es also vorderhand dabei, sich an jedem Arbeitstag mit schönem Wetter wenigstens ein paar Minuten höchst angenehm durch die Lüfte fahren zu lassen. Allerdings erwog er die Anschaffung eines Gurtes, um seine Aktentasche bei Bedarf auch auf dem Rücken tragen zu können.
Sonntag, 3. August 2025
Blumfeld (4)
Blumfeld (3)
Samstag, 2. August 2025
Blumfeld (2)
Freitag, 1. August 2025
Zweierlei Selbstbildnisse
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Dort drüben, ganz hinten im Bücherregal, in einer besonders dunklen Ecke haust zwischen Staub und Spinnweben ein kleiner, unansehnlicher, ur...
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Blumfeld, ein älterer Junggeselle, hatte schon lange mit dem Anarchismus geliebäugelt und eines Tages beschloss er, endlich zur Tat zu schre...
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Als ich das Zimmer betrat, saß dort ein Einhorn auf dem Sofa und trank Tee. Es saß aufrecht da, die Hinterbeine elegant übereinandergeschlag...